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04.09.2000 Haftung des Linksabbiegers bei zu schnellem Vorfahrtsberechtigten

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Das Kammergericht (KG: 12U4373/99 - Urteil vom 04.09.2000) hatte über die Haftung eines Linksabbiegers bei einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, das die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 100 % überschritt, zu entscheiden.

Urteil

Dem Urteil liegt der Sachverhalt zu Grunde, dass ein PKW Fahrer in einer Kreuzung links abbiegen wollte und es in der Folge zu einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kam. Letzteres Fahrzeug war mit mindestens 100 km/h, also einer wesentlichen Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts, in die Kreuzung eingefahren. Das Berliner Kammergericht ist der Ansicht, dass ein Entgegenkommender sein Vorrecht gegenüber einem Linksabbieger nicht dadurch verliert, dass er mit einer wesentlich überhöhten Geschwindigkeit in die Kreuzung einfährt. Der Linksabbieger habe trotzdem einen schuldhaften Verstoß gegen § 9 Abs. 3 StVO begangen. Dieser schreibt vor, dass der linksabbiegende Verkehrsteilnehmer entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen muss. Dabei bestimme sich das Verschulden danach, ob das Vorrecht des anderen Verkehrsteilnehmers für den Wartepflichtigen auch in zumutbaren Grenzen erkennbar und seine Verletzung vermeidbar gewesen war; dabei seien u.a. die zulässige Höchstgeschwindigkeit und die Sichtverhältnisse mit zu berücksichtigen. Zudem sei entscheidungserheblich, ob der Wartepflichtige bei Wahrung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnte oder musste, dass das entgegenkommende Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs ist. In dem zugrundeliegenden Fall hat das Gericht ein Verschulden bejaht, da der Linksabbieger das entgegenkommende beleuchtete Fahrzeug jedenfalls aus 72 m Entfernung wahrnehmen hätte müssen. Der Linksabbieger hätte zudem, selbst wenn das andere Fahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten hätte, nicht mehr nach links abbiegen dürfen. Das Gericht räumt dem entgegenkommenden Fahrzeug sein Vorrecht aber nicht unangetastet ein. Es stellt fest, dass das Vorrecht des Entgegenkommenden durch seine ganz erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung (hier mindestens 100%) relativiert wird. Im Rahmen der Abwägung der Schadensverursachungsbeiträge wiege das Verschulden des Entgegenkommenden doppelt so schwer, wie das des Linksabbiegers. Es sei also mit 2/3 zu bewerten. Da der wartepflichtige Linksabbieger den Vorfahrtsberechtigten habe wahrnehmen können und es nicht allein wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung des Vorfahrtsberechtigten von 100% zu dem Unfall gekommen sei, scheide eine alleinige Haftung des Entgegenkommenden aus. Eine hälftige Aufteilung sei deshalb nicht in Betracht gekommen, da dies nur bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um etwa 20–25 % möglich sei.

Anmerkungen der Anwaltskanzlei Bauer:

Mit diesem Urteil des Kammergerichts Berlin mussten die Folgen eines klassischen Verkehrsunfalls geregelt werden. Es bleibt riskant, mit überhöhter Geschwindigkeit innerorts zu fahren. Es bleibt auch riskant auf vermeintliche Vorrechte im Verkehr bestehen zu wollen. Wer aus einer untergeordneten Straße in die Vorfahrtsstraße einfährt oder etwa von der Hauptstraße abbiegen will, hat erhebliche Sorgfaltspflichten (§§ 8 und 9 STVO). Eine alleinige Haftung des verkehrswidrig mit zu hoher Geschwindigkeit auf der bevorrechtigten Straße fahrenden KFZ-Führers wird in der Regel nur in Frage kommen können, wenn dieses Fahrzeug bei Einleitung des Abbiege- oder Einbiegevorgangs für den wartepflichtigen Pkw-Fahrer noch gar nicht erkennbar gewesen war. Häufig muss sich der Geschädigte, der in einen Unfall verwickelt ist, bei dem der Unfallgegner Verkehrsregeln nicht eingehalten hat, demnach trotzdem eine Mithaftung anrechnen lassen.

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