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08.05.2007 Taxizentrale: Beschränkung des Zugangs zu genossenschaftlichen Einrichtungen auf Mitglieder

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Vom Bundesgerichtshof wurde das mit Spannung erwartete Urteil des Kartellsenats zur Zulässigkeit der Beschränkung des Zugangs zu genossenschaftlichen Einrichtungen auf Mitglieder veröffentlicht. Vordergründig ging der Streit um Eintrittsgelder, die ein Münchener Taxiunternehmer an die Taxi München eG zahlen musste (und die er zurück verlangte), um an der genossenschaftlichen Funkvermittlung teilnehmen und die Standplatztelefonsäulen der Taxi München eG nutzen zu können. Die Taxi München eG verweigerte einen Anschlussvertrag als Nichtmitglied und verlangte von dem Taxiunternehmer Mitglied der Genossenschaft zu werden, um an deren Auftragsvermittlung partizipieren zu können. Der BGH stellte dazu in seiner Leitsatzentscheidung „Autoruf-Genossenschaft II“ vom 8. Mai 2007 (Az.: KZR 9/06) fest: Auch eine Genossenschaft, die Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB ist, ist grundsätzlich berechtigt, ihre Einrichtungen ausschließlich Mitgliedern zur Verfügung zu stellen.

Urteil

Der klagende Taxiunternehmer wollte zunächst an der Auftragsvermittlung der Taxi München eG über Funk und über Standplatztelefone teilnehmen ohne Mitglied der Genossenschaft zu werden. Er war bereit dazu einen sogenannten Anschlussvertrag für Nichtmitglieder abzuschließen. Dies verweigerte die Taxi München eG. Anschlussverträge werden von der Taxi München eG nur mit Taxiunternehmern abgeschlossen, die als Genehmigungspächter (ohne damit Inhaber von Taxigenehmigungen zu sein) nicht ordentliche Mitglieder der Genossenschaft werden können. Dem Kläger blieb also zunächst nichts anderes übrig, als in die Genossenschaft einzutreten und für die Aufnahme als Mitglied (was bei einer „marktbeherrschenden“ Genossenschaft wie der Taxi München eG grundsätzlich nicht verweigert werden kann) ein Eintrittsgeld in Höhe von Euro 2.000 zu bezahlen. Als Genossenschaftsmitglied konnte er nun die genossenschaftlichen Einrichtungen, wie die Auftragsvermittlung nutzen. Zur angestrebten Klärung der Rechtsfrage, ob die Genossenschaft die Teilnahme an der Auftragsvermittlung von der Mitgliedschaft abhängig machen konnte, verklagte er die eG auf Rückzahlung des Eintrittsgeldes vor dem Landgericht München I (das in Streitsachen um das GWB – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - in erster Instanz, trotz des Streitwertes von lediglich Euro 2.000 in 1. Instanz zuständig ist), weil die eG ihn unter Missbrauch ihrer Marktbeherrschenden Stellung zum Eintritt in die Genossenschaft veranlasst habe. Vor dem Landgericht München I (Urteil vom 12.7.2005 – Az. 33 = 22863/04) bekam die Genossenschaft Recht. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München aber obsiegte der Taxiunternehmer. Die Genossenschaft wurde mit Urteil des OLG München (vom 13.3.2006 – Az. U (K) 4148/05; siehe dazu auch Bericht auf www.taxipress.de vom 10.8.2006 - Nachrichtenarchiv) dazu verpflichtet, Zug um Zug gegen Aufgabe der Mitgliedschaft des Klägers das Eintrittsgeld zurückzuzahlen. Das OLG München sah eine unbillige, damit eine im Sinne des § 20 GWB rechtlich nicht hinzunehmende, Behinderung des klagenden Taxiunternehmers darin, dass sie eine Teilnahme an der Auftragsvermittlung von einer Mitgliedschaft in der Genossenschaft abhängig machte. Damit, stellte das OLG fest, übe die eG einen faktischen Zwang zur Mitgliedschaft aus, dem sich ein Taxiunternehmer aus wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen könne. Diese Ansicht hielt der rechtlichen Überprüfung durch den BGH, die durch die Revision der Taxi München eG gegen das OLG-Urteil erreicht wurde, nicht stand. Zwar geht der BGH mit dem OLG München davon aus, dass es sich einer Genossenschaft, wie der Taxi München eG, der fast 2.000 Mitglieder mit ca. 3.200 (von noch etwa 3.400) Taxis in München angeschlossen sind, um eine marktbeherrschende Genossenschaft handelt (umso mehr, als die Auftragsvermittlung über Standplatzrufsäulen nur ihren Mitgliedern möglich ist, da die Stadt München in der Vergangenheit erfolgreich weitere Rufsäulenaufstellungen anderer verhindert hat), auch stimmt der BGH dem OLG München zu, dass die Regelungen des GWB auch deshalb anwendbar sind, als „das vom Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten in einem Geschäftsverkehr erfolgt, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist.“ Damit stehen Taxiunternehmer, die von der Genossenschaft Auftragsvermittlungen v.a. über Standplatztelefonrufsäulen erhalten wollen der Genossenschaft gegenüber in einem solchen Geschäftsverkehr im Sinne des GWB. Zwar, so stellt es auch der BGH fest, handelt es sich bei dem faktischen Zwang, den die Genossenschaft damit ausübt, dass sie zur Nutzung der Auftragsvermittlung eine Mitgliedschaft voraussetze, um eine Behinderung des Klägers. Diese Behinderung aber hält der BGH, im Gegensatz zum OLG München, nicht für unbillig und damit nicht rechtswidrig. Eine Behinderung, die hier zweifellos vorliegt, ist aber – wie auch in anderen Fällen so vom BGH entschieden – nur dann unbillig, wenn die Mitgliedschaft an Bedingungen geknüpft ist, deren Einhaltung dem so Behinderten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht zuzumuten ist. Weiter stellt der BGH zum Genossenschaftsgedanken und zum bisher funktionierenden System der Genossenschaften, wie der Taxi München eG klarstellend fest: „Die Genossenschaft ist darauf angelegt, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (§ 1 Abs. 1 GenG). Die genossenschaftlichen Einrichtungen sind Einrichtungen, die von der Genossenschaft für ihre Mitglieder unterhalten werden, um deren wirtschaftliche und berufliche Entwicklung zu fördern. In diesem Zusammenhang sind auch die Telefonrufsäulen zu sehen, die von der Genossenschaft installiert wurden, um für ihre Mitglieder die Abwicklung des Fahrgastaufkommens zu optimieren und die Erreichbarkeit der in der Genossenschaft zusammengeschlossenen Taxiunternehmen zu verbessern. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte [Genossenschaft] die Nutzung ihrer Einrichtungen ihren Mitgliedern vorbehält. Als Normadressat des § 20 Abs. 1 GWB 1999 muss sie allerdings sicherstellen, dass jeder Berufsangehörige Zugang zu diesem System hat. Dies bedeutet aber nicht, dass sie von dem tragenden genossenschaftlichen Prinzip abzuweichen braucht, dass der Zugang zu genossenschaftlichen Einrichtungen nur den Mitgliedern offen steht.“ Der BGH sieht auch keinen Verstoß gegen das Grundrecht der „negativen“ Vereinigungsfreiheit (sich einer Vereinigung nicht anschließen zu müssen) des Art. 9 Abs. 1 GG, da dieses vorrangig als Abwehrrecht ausgestaltet sei und mit dem der positiven Vereinigungsfreiheit der beklagten Genossenschaft abzuwägen und kartellrechtlich zu würdigen ist. Demnach muss hier das Interesse des Klägers an Leistungen der Genossenschaft zu partizipieren ohne Mitglied sein zu wollen zurücktreten gegenüber dem, hier überwiegenden Interesse der Genossenschaft sich ihre wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeit (zum Nutzen ihrer Mitglieder) zu sichern. Im Eintrittsgeld in Höhe von Euro 2.000, um das hier der Streit ging, sieht der BGH eine sachgerechte Gegenleistung dafür, dass das Neumitglied einer Genossenschaft beitritt, die in der Vergangenheit die wirtschaftlichen Voraussetzung geschaffen hat, an denen das Neumitglied nun teilhaben kann. Anders würde die Sache möglicherweise zu entscheiden sein, wenn, so der BGH, „wenn die Genossenschaft neben dem bloßen Vorhalten von Einrichtungen gleichzeitig berufsständische Politik betreibt. In einem solchen Fall wäre dann zu prüfen, ob dem Berufsangehörigen, der die von der Genossenschaft verfolgten berufsständischen ziele nicht zu teilen vermag, die Möglichkeit eröffnet werden muss, auch ohne Mitgliedschaft die Einrichtungen zu nutzen, hinsichtlich deren eine Normadressatenstellung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB 1999 besteht.“ Nachdem dazu nichts vorgetragen war, musste der BGH zu dieser Frage nicht weiter prüfen und entscheiden, konnte das Urteil des OLG aufheben und die Entscheidung des Landgerichts München I wiederherstellen.

Anmerkungen der Anwaltskanzlei Bauer:

Anmerkung: Das Urteil des BGH „Autoruf-Genossenschaft II“ ist aus Sicht der vielen Taxigenossenschaften in Deutschland zu begrüßen, stärkt es doch deren Stellung gegenüber Taxiunternehmern, die Nutznießer genossenschaftlicher Leistungen sein wollen, ohne mitgliedschaftliche Verpflichtungen zu übernehmen. Sehr deutlich hat der BGH jedoch auch gemacht, dass zum einen die Höhe des Eintrittsgeldes „sachgerecht“ sein muss, also nicht überhöht und außer Verhältnis zu den tatsächlichen Leistungen der Genossenschaft sein darf und, dass eine Genossenschaft ein Wirtschaftsbetrieb zum Nutzen seiner Mitglieder und nicht eine Gewerbevertretung (mit der daraus oft einhergehenden Polarisierung von Meinungen und gewerbepolitischen Zielen)zu sein hat. Diese beiden Punkte sollten Genossenschaften beachten, bevor sie etwas zu vorschnell sich in ähnlichen Fallgestaltungen im Recht sehen. Auf den Einzelfall kommt es jeweils an. Hier hätte möglicherweise der Kläger eine bessere Chance gehabt, wenn er deutlich auf die gewerbepolitischen Aktivitäten der hier beklagten Genossenschaft hingewiesen hätte (und im Zweifel darauf, dass er die Ziele dieser Gewerbepolitik missbillige), nachdem die Taxi München eG in den letzten Jahren diese gewerbepolitische Vertretung immer stärker betont. Deutlich sollte aus diesem Urteil den Genossenschaftvorständen im Lande werden, dass nach außen wirkende Gewerbepolitik und nach innen zu wirkende Genossenschaftspolitik nur schwer unter einen Hut zu bringen sind. Es wird im jeweiligen Fall zu entscheiden sein, was an genossenschaftlichen Aktivitäten noch den wirtschaftlichen Zweck der Förderung der Mitglieder zuzurechnen ist oder was daran bereits "unzulässige" Gewerbepolitik ist. Jedenfalls tun Taxiunternehmer gut daran, neben der örtlichen Genossenschaft auch einen, getrennt davon agierenden Gewerbeverband zu betreiben.
Das Urteil des BGH ist im vollen Text abzurufen unter - www.bundesgerichtshof.de - dort unter Entscheidungen, dort in der Suchmaske das Aktenzeichen KZR 9/06 eingeben. Im Urteil sind einige andere Entscheidungen des BGH (so Taxigenossenschaft I u. II oder Autoruf-Genossenschaft I zitiert, auf die in der Urteilsbegründung Bezug genommen wird)

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