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29.04.2003 Schadensberechnung bei wirtschaftlichem Totalschaden, Restwert und Instandsetzung

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Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 29.04.2003 - AZ: IV ZR 393/02) hat nun den Streitfall der Schadensberechnung bei wirtschaftlichem Totalschaden, Restwert und Instandsetzung geklärt.

Urteil

Dieser Entscheidung des BGH lag ein typischer Fall einer Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall zu Grunde. Der Sachverständige schätzte hier die Reparaturkosten des beschädigten Fahrzeugs auf ca. DM 24.000. Er setzte eine Wertminderung von DM 1.500 an, kalkulierte den Wiederbeschaffungswert auf ca.. DM 30.000 und den Restwert auf DM 8.000. Den Schaden rechnete der Geschädigte auf Grundlage der Gutachtenskalkulation ab und reparierte – als Karosseriebaumeister – das Fahrzeug selbst. Er verlangte von der gegnerischen Haftpflichtversicherung für die verschiedenen Schadenspositionen, einschließlich Kosten des Sachverständigen, Leihwagen und anderer Kosten insgesamt ca. DM 31.000. Die Versicherung zahlte außergerichtlich – die Haftung war klar – einen Betrag von ca. DM 25.000 unter der Abrechnungsvorgabe Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert (der von der Versicherung mit DM 10.000 angesetzt worden war) einen Betrag von ca. DM 25.000. Den Restbetrag klagte der Geschädigte vor dem Amtsgericht ein, mit der Begründung (und dem Nachweis hierzu), dass er das Fahrzeug instandgesetzt habe und deshalb die vollen kalkulierten Reparaturkosten beanspruchen dürfe und sich nicht mit einer versicherungsfreundlichen Abrechnung unter Ansatz eines Betrages für den Restwert abspeisen lassen müsse. Das Amtsgericht gab dem Kläger recht, die Berufung der Versicherung wurde abgewiesen. Der BGH hatte hier über die Revision zu entscheiden. Das Berufungsgericht hatte zur Wirtschaftlichkeitsprüfung der Schadensberechnung durch den Kläger eine Vergleichsbetrachtung zwischen den Reparaturkosten und den Kosten der Wiederbeschaffung des Fahrzeugs zu Grunde gelegt ohne hier den Restwert des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Die beklagte Versicherung war der Meinung, dass aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten der Geschädigte hier sich den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert anrechnen lassen müsse. Dieser Argumentation hatte sich das Berufungsgericht nicht angeschlossen, sondern festgestellt, dass der Geschädigte sein Integritätsinteresse an dem beschädigten Fahrzeug nur dann durch eine vollständige und fachgerechte Reparatur nachweisen müsse, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30% übersteigen würden. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger habe durch die Beseitigung der Schäden die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs wieder hergestellt und könne deshalb die Reparaturkosten in voller Höhe abrechnen. Dieser Rechtsansicht des Berufungsgerichtes wird in der Entscheidung des BGH ausdrücklich zugestimmt. Der BGH hat – wiederholt – festgestellt, dass der Geschädigte in seiner Dispositionsfreiheit frei sei, die Mittel, die er vom Schädiger (bzw. dessen Haftpflichtversicherer) beanspruchen könne, so einzusetzen, wie er es für sinnvoll erachte. Er sei weder verpflichtet, das beschädigte Fahrzeug überhaupt zu reparieren, noch es in eine Fachwerkstatt zu geben, deren Preise in der Regel Grundlage der Schadensschätzung sind. Es bleibe ihm auch überlassen, auf welche Weise – einfach oder perfekt – er sein Fahrzeug instandsetzen lasse. Zwar werde der zu gewährende Schadensersatz beschränkt durch das Bereicherungsverbot, wonach der Geschädigte zwar vollen Schadensersatz verlangen könne, aber an dem Schadenfall nicht verdienen solle. Die Schadensrestitution dürfe aber nicht beschränkt werden auf die (für den Haftpflichtversicherer) kostengünstigste Wiederherstellung, sondern ihr Ziel sei, den Zustand wieder herzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspreche. Demnach könne der Geschädigte die vollen – kalkulierten – Reparaturkosten verlangen, wenn er das Fahrzeug instandsetze, selbst wenn diese Instandsetzung nicht in vollem Umfang der Reparaturkalkulation entspricht, sondern etwa auch nur das Fahrzeug in einen funktionsfähigen Zustand versetzt. Der BGH stellt dazu fest: “wird der PKW vom Geschädigten tatsächlich repariert und weiter genutzt, so stellt sich der Restwert als hypothetischer Rechnungsposten dar, den der Geschädigte nicht realisiert und der sich daher in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf.“

Anmerkungen der Anwaltskanzlei Bauer:

Am 29.04.2003 wurde vom 4. Zivilsenat des BGH hier eine weitere ‚verbraucherfreundliche’ Entscheidung gefällt. Zunehmend versuchen sich Haftpflichtversicherer ihrer Verpflichtung zu entziehen, dem Geschädigten ausreichenden Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall zu leisten. Diese Tendenz verschärft sich zu Lasten der geschädigten Verkehrsteilnehmer seit dem ‚Schadenrechtsänderungsgesetzt’ im Jahr 2002 noch. Von einem Teil der Haftpflichtversicherer – nicht von allen – wurde und wird, wie im hier vom BGH entschiedenen Fall der Schadensersatz für den Geschädigten unzulässig verkürzt. Es wird regelmäßig ein Vergleich angestellt zwischen kalkulierten Reparaturkosten des Fahrzeugs und dem Wiederbeschaffungswert (soweit vom Sachverständigen angegeben) unter Abzug des Restwertes (der oft unrealistisch hoch und von nicht zwingend zu akzeptierenden Restwerteaufkäufern angeboten wird). Liegt der Reparaturwert über dem Wert von Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert (wobei hier meist noch, ebenso rechtlich nicht begründbar der Wiederbeschaffungswert netto, also unter Abzug von 16% kalkulatorischer Mehrwertsteuer angesetzt und davon der Restwert brutto abgezogen wird), dann wird von diesen Versicherern lediglich der niedrigere Wert ersetzt. Dies unabhängig davon, ob der Geschädigte das Fahrzeug repariert und weiter nutzt oder veräußert. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte war die Behandlung solcher Fälle durchaus unterschiedlich. Bei dem einen Gericht (Richter) wurden Klagen – wie im hier besprochenen Fall – zugesprochen, bei anderen abgewiesen und den Versicherern Recht gegeben. Der BGH hat mit seiner Entscheidung hier einen weiteren ‚Pflock eingeschlagen’, an dem sich – hoffentlich – nun auch die Instanzgerichte orientieren und wieder zu einer einigermaßen einheitlichen Rechtsprechung finden können. In der Schadensregulierung, die von Seiten der Versicherer zunehmend rigoroser und ‚geschädigtenunfreundlicher’ gehandhabt wird, wird sich dieses Urteil, so ist zu hoffen, positiv – für die Geschädigten – auswirken. Bleibt noch, dass der BGH auch zum rechtlich nicht begründbaren Mehrwertsteuerabzug bei Wiederbeschaffungswerten bald die Möglichkeit hat zu einer – verbraucherfreundlichen – Klärung beizutragen.

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