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10.07.2013 Der Stier auf der Kreisstraße: Tierhalterhaftung – Entlastungsbeweis – Mitverschulden Das Landgericht Landshut (LG Landshut Urteil v. 10.07.2013 – AZ. 13 S 2701/12) hatte unter anderem über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen sich der Halter eines Nutztieres, das einen Unfall verursacht hat, entlasten kann und inwieweit dem Geschädigten ein Mitverschulden für den Zusammenstoß mit einem Tier anzulasten ist.

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Die Parteien streiten über ein Unfallgeschehen, bei dem der Klägerin auf einer unbeleuchteten Kreisstraße ein entlaufener Stier in das Fahrzeug lief, nachdem er von der mittels Elektrozaun umgrenzten Weide entlaufen ist. Die Klägerin hat Schadensersatz aus dem Unfallgeschehen geltend gemacht. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Erstinstanzlich wurde der Klägerin Schadensersatz, reduziert um eine Mitverschuldensquote, zugesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten vollumfänglich mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung, soweit es um den Mitverschuldensanteil geht.

Urteil

Das Berufungsgericht hat geurteilt, dass das Amtsgericht Erding zu Recht eine Haftung der Beklagten gem. § 833 Satz 1 BGB angenommen hat. Allerdings komme eine Mithaftung der geschädigten Autofahrerin, auch aus Betriebsgefahr, nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift zur Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters hat der Tierhalter Schäden zu ersetzen, die sein Tier verursacht hat. Der Halter eines Haustieres – hierunter sind Nutztiere zu verstehen, die dem Halter zum Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt zu dienen bestimmt sind, keine sog. „Luxustiere“ – kann sich von der Ersatzpflicht aber gemäß Satz 2 der Vorschrift befreien, wenn er bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Dieser Entlastungsbeweis ist den Beklagten hier nicht gelungen. Für die Haftungsbefreiung kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an, vorliegend also darauf, ob ein Elektrozaun grundsätzlich eine ausreichende Sicherungsvorkehrung darstellt, die das Ausbrechen des Tieres verhindern konnte und darauf, dass die Sicherungsvorkehrung im Zeitpunkt des Schadensereignisses tatsächlich auch funktionsfähig war bzw. darauf, ob das Schadensereignis auch eingetreten wäre, wenn die Umzäunung ausreichend und funktionsfähig gewesen wäre.
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass ein funktionsfähiger Elektrozaun eine geeignete Sicherungsvorkehrung darstellt. Vorliegend konnte sich der Zeuge aber bereits nicht daran erinnern, ob die Drähte beim Betreten bzw. Verlassen der Weide wieder ordnungsgemäß eingehängt wurden. Der Zeuge konnte im Rahmen seiner Vernehmung nur generelle Aussagen machen. Da also bereits nicht festgestellt werden konnte, dass der Zaun ordnungsgemäß geschlossen war, konnten die Beklagten den Entlastungsbeweis nicht führen. Die – unterstellte – Tatsache, dass der Zaun generell geschlossen ist und unter Strom steht, reicht für die Entlastung gerade nicht aus. Je nach Lage der Weidefläche sind die Sicherungsvorkehrungen nämlich besonders engmaschig zu kontrollieren. Befindet sich die Weide wie hier neben einer Kreisstraße, muss jedenfalls täglich kontrolliert werden, ob die Schutzvorkehrungen greifen, also insbesondere, ob die Umzäunung rund herum geschlossen ist. Wurde diese Kontrolle versäumt, kommt es auch auf die Frage, ob zum Zeitpunkt des Schadensereignisses Strom auf dem Zaun war, nicht mehr an.
Ein Mitverschulden der Klägerin an der Entstehung des Schadens hat das Berufungsgericht verneint. Für das Vorliegen eines Mitverschuldens tragen die Beklagten die Beweislast. Zwar konnte nicht abschließend geklärt werden, ob das Fahrzeug der Klägerin im Unfallzeitpunkt tatsächlich stand oder noch mit geringer Geschwindigkeit in Bewegung war. Die Beklagten hätten hier jedoch den Nachweis erbringen müssen, dass die Klägerin aufgrund unangepasster Geschwindigkeit ihr Fahrzeug nicht rechtzeitig anhalten konnte. Dies ist den Beklagten nicht gelungen.
Das Berufungsgericht hat darüber hinaus auch ein Mitverschulden aus Betriebsgefahr verneint. Zum einen war nicht nachgewiesen, dass das klägerische Fahrzeug bei der Kollision noch in Bewegung war, sodass das Gericht davon auszugehen hatte, dass das klägerische Fahrzeug den Angaben der Klägerin zufolge gestanden hat. Zum anderen wurde eine Mitverschuldenshaftung aus Betriebsgefahr deshalb verneint, als die Gefahr, die von einem stehenden Fahrzeug ausgeht, gegenüber der Gefahr, die von einem frei und unkontrolliert umherlaufenden Stier ausgeht, vollständig zurück tritt, sodass die Beklagten den Schaden der Klägerin zu 100 % zu ersetzen hatten.

Anmerkungen der Anwaltskanzlei Bauer:

Die Vorschrift des § 833 BGB zur Haftungsprivilegierung von Nutztierhaltern mag überholt erscheinen in heutigen Zeiten, wo nahezu jedwede Unwägbarkeiten versicherbar sind. Der Gesetzgeber hat aber bisher noch keinen Anlass gesehen diese Privilegierung zu streichen. Wenn jemand aber ein Haftungsprivileg für sich in Anspruch nehmen will, so hat er im Gegenzug die Voraussetzungen hierfür im Detail nachzuweisen. Die alleinige Berufung des Versicherers auf die Nutztiereigenschaft und übliche Sicherungsmaßnahmen reicht eben doch nicht.

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