Anwaltskanzlei Verkehrsrecht Schadensregulierung Unfall Personenbeförderungsrecht Verkehrsstrafrecht Schadensersatz Verkehrszivilrecht Anwalt München Verkehrsverwaltungsrecht Verkehrsordnungswidrigkeit Taxi Strafrecht

Anwaltskanzlei Michael Bauer, Ihre Kanzlei für Strafrecht, Verkehrsrecht, Personenbeförderungsrecht und Verkehrsstrafrecht in München

20.04.2012 Keine Erstattung von Sachverständigenkosten bei verschwiegenem Altschaden

zurück zur Auflistung

Das Amtsgericht München (AG München Urteil v. 14.12.2011 – Az. 322 C 13801/10) hatte über die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten bei verschwiegenem Altschaden zu urteilen

Urteil

Das Fahrzeug der Klägerin war in einen Unfall verwickelt. Der Unfallgegner fuhr aus einer Ausfahrt heraus und traf das klägerische Fahrzeug an der rechten Tür und dem rechten vorderen Seitenteil. Die Klägerin ließ ein Sachverständigengutachten zum Fahrzeugschaden erstellen und machte hieraus fiktive Reparaturkosten in Höhe von ca. € 1.700,00 geltend. Die Rechnung des Sachverständigen belief sich auf € 373,00. Vor dem Amtsgericht München wurde sowohl zur Haftung als auch zur Schadenshöhe gestritten. Die Haftungsfrage wurde eindeutig zu Gunsten der Klägerin geklärt. Zur Schadenshöhe wandte die unfallgegnerische Haftpflichtversicherung ein, dass Schäden am klägerischen Fahrzeug nicht zu ersetzen seien, weil Altschäden verschwiegen worden seien. Es fand sich im Sachverständigengutachten der Klägerin lediglich die Angabe hierzu, dass ein leichter Hagelschaden festzustellen gewesen wäre. Tatsächlich waren, wie die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners recherchierte, zwei Hagelschäden an diesem Fahrzeug bereits abgerechnet worden und dazu noch ein weiterer Unfallschaden vorne rechts (also im Bereich des aktuellen Schadens). Vom Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, der als Zeuge vor Gericht vernommen worden war, wurde der vorher schon vorhandene Unfallschaden am Fahrzeug vorne rechts, der nur teilweise repariert worden war, bestätigt. Nach Ansicht der beklagten Haftpflichtversicherung hatte die Klägerin deshalb überhaupt keinen Schadenersatz zu beanspruchen, da durch die neue Beschädigung kein weiterer (finanzieller) Schaden an dem Fahrzeug entstanden wäre. Dazu wurde eingewandt, dass das Sachverständigengutachten unrichtig sei und deshalb ein Ersatz der Kosten für die Sachverständigenrechnung nicht in Betracht käme. Im Klageverfahren war vom Gericht ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten beauftragt worden, das Aussagen zum Unfallhergang und auch zur Schadenshöhe am klägerischen Fahrzeug treffen sollte. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die beiden Schäden zu differenzieren seien und dass für den aktuellen, hier in der Klage zu entscheidenden Schaden, ein Betrag in Höhe von € 1.050,00 anzusetzen sei. Das Amtsgericht sprach schließlich der Klägerin diesen Schadensbetrag zu, verweigerte allerdings den Ersatz der Kosten, die die Klägerin für das Sachverständigengutachten aufwenden musste. Dies mit der Begründung, dass die Kosten des Privatgutachtens, die grundsätzlich zwar vom Schädiger, bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu übernehmen sind, in diesem Fall nicht erstattungsfähig seien, da sich das Gutachten später als unrichtig erwiesen habe. Zwar gelte dieser Grundsatz nur, wenn die Unrichtigkeit nicht auf falschen Angaben des Auftraggebers beruht, jedoch läge der Fall hier so, dass es im Privatgutachten heißt „evtl. festgestellte Alt—oder Vorschäden: (ein leichter Hagelschaden war festzustellen“, woraus folge, dass die Klägerin den Privatgutachter nicht über den vom Zeugen erwähnten Altschaden informiert habe. Damit habe die Klägerin die Unrichtigkeit des Privatgutachtens (mit-)verursacht, indem sie den Gutachter auf den vorher schon bestandenen Schaden nicht hingewiesen habe (offen blieb ob der Gutachter dies auch selbst hätte feststellen und deshalb hätte nachfragen können). Der Klägerin stehe mithin kein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Privatgutachtens zu.
Die unfallgegnerische Haftpflichtversicherung legte Berufung gegen dieses Urteil des Amtsgerichts ein, mit dem Ziel, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch völlig abgesprochen würde. Die Berufung wurde vom Landgericht München I (Urteil vom 20.04.2012 - Az. 17 S 665/12) zurückgewiesen. Die Klägerin erhält also zumindest den vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag. Allerdings wurde vom Landgericht München I darauf hingewiesen, dass dieser Fall nur aus Rechtsgründen so entschieden worden sei, da der gerichtlich beauftragte Sachverständige die Schadensbestandteile des Altschadens und des Neuschadens auseinanderrechnen konnte. Unabhängig davon neige das Gericht jedoch dazu, die komplette Akte der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorzulegen. Vom Rechtsanwalt der unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung wurde angekündigt, dass Strafantrag wegen (zumindest versuchtem) Betrug gestellt werde, da offensichtlich versucht worden sei, Schäden am Fahrzeug mehrfach abzurechnen.

Anmerkungen der Anwaltskanzlei Bauer:

Zunehmend überprüfen Haftpflichtversicherer bei Schadensregulierungen, ob am Fahrzeug des Geschädigten schon weitere Unfallschäden bestanden haben und ob diese instandgesetzt worden sind oder nicht. Gelegentlich werden in der Schadenregulierung ausdrücklich Fragen hierzu an den Geschädigten gestellt. Dies vor allem dann, wenn entweder im Sachverständigengutachten keine Ausführungen zu früheren Schäden enthalten sind, aber sich aus den Schadensbildern Hinweise daraus ergeben oder dann, wenn den Versicherern aus der Nutzung von entsprechenden Dateien Vorschäden, bzw. Altschäden bekannt sind. Das Verschweigen von Vorschäden, also reparierten früheren Schäden am Fahrzeug, oder Altschäden, also noch nicht oder nicht vollständig reparierten Schäden, ist also höchst riskant. Es drohen zumindest erhebliche Kürzungen bei den Schadenssummen oder auch, je nach Rechtsprechung des zuständigen Oberlandesgerichts, dass Schadenersatz sogar vollständig verweigert wird. Dazu müssen die Kosten des Sachverständigengutachtens nicht ersetzt werden, wenn in diesem Gutachten die entsprechenden Schäden nicht benannt sind. Es ist also dringend zu raten, dass die Geschädigten den Sachverständigen auf eventuelle Vor- und Altschäden hinweisen, bzw. dass auch der Gutachter, um sich nicht selbst mit haftbar zu machen (vor allem auch seinen Gebührenanspruch nicht angreifbar macht), von sich aus Fragen an den Geschädigten zu Vor- und Altschäden stellt.

zurück zur Auflistung