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29.10.2002 Fahrverbot bei einem ‚unbelasteten' Vielfahrer

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Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2002 – 2 Ss Owi 789/02 ) hatte zu einem Fahrverbot bei einem ‚unbelasteten Vielfahrer und bei Verstoß zu verkehrsarmer Zeit’ zu entscheiden.

Urteil

Hier hatte das Amtsgericht nach Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid mit Fahrverbot diesen Fahrer zu einer auf 250 Euro erhöhten Geldbuße verurteilt und von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen. Gegen diese Entscheidung hatte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde beim OLG Hamm eingelegt mit dem Ziel hier schließlich zur Sanktion Fahrverbot zu kommen. Das Amtsgericht hatte vom Fahrverbot abgesehen mit der Begründung, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Vielfahrer (mit einer Fahrleistung von ca. 50.000 bis 60.000 km pro Jahr) handele, der beruflich als Assistent der Geschäftsleitung eines Einkaufsverbandes auf Mobilität angewiesen sei, zudem bisher nicht einschlägig vorbelastet sei, am Wochenende sich um seine schwerstbehinderte Schwester an anderem Wohnort zu kümmern habe. Zudem habe sich der Verkehrsverstoß auf einem tags sehr frequentierten aber zum Tatzeitpunkt um 23.44 Uhr wenig befahrenen Autobahnstück ereignet. Der Betroffene hatte dort die angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 45 km/h überschritten. Der zuständige Senat am OLG Hamm hielt die vom Amtsgericht dargelegten Gründe zum Absehen von einem Regelfahrverbot für nicht tragfähig. Der Senat hat festgestellt, dass das amtsrichterliche Urteile in der Begründung den von Obergerichten herausgearbeiteten Strafzumessungskriterien nicht genüge. Eine – erhebliche – Geschwindigkeitsüberschreitung zu verkehrsarmer Zeit auf einer ansonsten stark frequentierten Autobahn stelle keinen vom Regelfall abweichenden Umstand dar. Ebenso sei nicht zu berücksichtigen, dass der Betroffene bisher verkehrsrechtlich unbelastet sei. Die Bußgeldkatalogverordnung (BKatVO) gehe für Regelfälle ja gerade davon aus, dass Voreintragungen im Verkehrszentralregister nicht vorliegen müssten. Der Umstand, dass es sich bei dem Betroffenen um einen so genannten Vielfahrer handele würde auch nicht entlasten. Denn für einen erfahrenen Verkehrsteilnehmer sei zum einen wegen der vom Gesetzgeber vorgenommenen Konkretisierung in der BKatVO nach der für bestimmte Verstöße regelmäßig die Verhängung eines Fahrverbotes vorgesehen ist, und zum anderen aufgrund der durch hohe Fahrpraxis gewonnen Erfahrung die Verhängung eines Fahrverbotes vorhersehbar und berechenbar geworden. Der Umstand, dass der Betroffene beruflich und zur Entlastung seiner Eltern in der Versorgung der schwerstbehinderten Schwester auf einen PKW angewiesen sei, könne weder für sich alleine noch in einer Gesamtschau der Umstände das Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen. Einen Ausnahmefall könnten insoweit nur Härten ganz besonderer Art, wie zum Beispiel drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust der sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage begründen. Hierfür würde die Begründung des amtsgerichtlichen Urteils jedoch nichts hergeben. Nachdem der Senat des OLG nach den bisherigen Feststellungen eine weitergehende eigene Sachentscheidung nicht treffen konnte, wurde die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Anmerkungen der Anwaltskanzlei Bauer:

Diese Entscheidung zeigt wieder einmal, wie schwer es ist, von einem Fahrverbot weg zu kommen. Einen Amtsrichter zu überzeugen mag ja noch hin und wieder gelingen. Die zuständigen Staatsanwaltschaften legen in solchen Fällen, wo das Amtsgericht auf die Anordnung eines Fahrverbotes verzichten meist (Ausnahmen bestätigen die Regel) Rechtsbeschwerde ein. Das OLG Hamm hat hier wieder einmal sehr deutlich gemacht, dass es eben doch ganz erhebliche Gründe braucht, um den Verzicht auf ein Fahrverbot, gerade bei einem Regelfahrverbot zu rechtfertigen. Das Vielfahrerargument zieht auch und gerade bei Taxifahrern nicht. Regelmäßig kommt von Richtern in der Verhandlung vor den Amtsgerichten der, schwer zu entkräftende Hinweis, dass ein Vielfahrer, noch dazu Berufskraftfahrer eben sehr genau um das Risiko der Ahndung von Verkehrsverstößen und um das Risiko von Fahrverboten wissen muss. Wer dann noch einen Bonus vom Gericht dafür erbittet, dass er als Taxifahrer doch sehr viel höheren Risiken der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten als andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt ist, ständig unter Druck und im Stress sei, der wird regelmäßig bestenfalls ein müdes Lächeln des urteilenden Richters ernten. Es bleibt dabei: Wer besonnen und rücksichtsvoll fährt, wie das einem Berufskraftfahrer als Profi ansteht, wer sich weder von Fahrgästen, noch von Kollegen oder anderen Verkehrsteilnehmern hetzen und zu Verkehrsübertretungen provozieren lässt, der wird kaum mit dem Problem eines Fahrverbotes zu kämpfen haben.

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